Rückblick: The Rock (1996) – Nick Glennie-Smith, Hans Zimmer & Harry Gregson-Williams

RockMusik komponiert & produziert von
Nick Glennie-Smith, Hans Zimmer
& Harry Gregson-Williams
Dirigiert von
Nick Glennie-Smith, Bruce Fowler
& Don Harper
Orchestriert von
Bruce Fowler, Suzette Moriarty,
Ladd McIntosh, Walt Fowler
& Dennis Dreith
Ergänzende Musik von
Don Harper & Steven Stern

1996 zementierte Michael Bay mit „The Rock“, seinem zweiten Film nach „Bad Boys“, schon früh und endgültig seinen Stil: Wen kümmert eine nachvollziehbare und logische Handlung, wenn man stattdessen overactende Stars, Action ohne Ende und Explosionen auf Explosionen haben kann? Unterstützt wurde er bei diesem Unternehmen vom nationalen Schatz Nicolas Cage, Altstar Sean Connery sowie dem durchgeknallten Produzenten Don Simpson (welcher während der Dreharbeiten verstarb), dessen Partner Jerry Bruckheimer danach erfolgreich im PG-13-Bereich weiterarbeiten würde. Der Film war jedoch auch auf einer anderen Ebene wegweisend, denn hier wurde der Öffentlichkeit besonders deutlich demonstriert, wie effizient Hans Zimmers Musikschmiede Remote Control (damals noch Media Ventures) mit der Verfahrensweise der Arbeitsteilung und des Hilfskomponisten-Systems langsam aber sicher Hollywood eroberte – ein Siegeszug, der bis heute andauert!

Der Score für „The Rock“ hat, wie so oft, eine bewegte Geschichte. Wahrscheinlich hätte ursprünglich Mark Mancina (welcher „Bad Boys“ komponierte) die Musik schreiben sollen, jedoch war Bay unzufrieden mit dem Ergebnis (was seltsam ist, denn das Endergebnis klingt so, als wäre „Bad Boys“ zu großen Teilen der Temp-Track gewesen), und so blieben nur vier Wochen Zeit für einen neuen Score. Anfangs war dies nur die Aufgabe von Nick Glennie-Smith, dann jedoch wurde Hans Zimmer (nicht ganz freiwillig) als Hilfe anbeordert, um im Prinzip das Hauptthema zu komponieren. Harry Gregson-Williams kam später dazu, um einiges ergänzendes Material beizusteuern, verschiedenen Quellen zufolge stammt dabei der Löwenanteil des Tracks „The Chase“ aus seiner Feder. Obwohl im Vorspann des Films nur Glennie-Smith und Zimmer genannt werden, taucht Gregson-Williams‘ Name als gleichberechtigter Komponist auf dem Cover des Albums auf – im Film selbst wird er im Abspann unter „Additional Music“ creditiert, zusammen mit Steven Stern und Co-Dirigent Don Harper. Wer weiß, was genau die Hintergründe von alldem sind, wichtig ist das Endergebnis – und dieses ist längst nicht so schlimm ausgefallen, wie die Geschichte dahinter eventuell vermuten lassen könnte.

Wie das Vorwort schon erahnen lässt, wird hier musikalisch bereits vieles etabliert, was später typisch für den Sound von Remote Control werden sollte. Stilistisch schwimmt der Score im Fahrwasser (pun intended) von „Crimson Tide“, besonders der Männerchor ist hier ein offensichtlicher Hinweis, doch er dient auch als Vorankündigung von verschiedenen Elementen und Melodien aus späteren Werken wie „Gladiator“ (2000) und ganz besonders „Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl“ (2003). „The Rock“ ist im großen und ganzen natürlich noch viel elektronischer und moderner angelegt als die eben genannten Soundtracks, doch der Stil ist unverkennbar: Rockmusik mit einer Mischung aus echtem und synthetischem Orchester. Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten zum ersten „Pirates“-Score derart stark, dass ich mir absolut sicher bin, dass „The Rock“ ausführlich als Temp-Track für Jack Sparrows erstes Leinwand-Abenteuer diente. Sogar von der Album-Aufmachung her gibt es eine Art Gemeinsamkeit, denn obgleich die Tracks diesmal richtig betitelt zu sein scheinen, so sind sie doch teilweise in der falschen Reihenfolge angeordert.

Hans Zimmers Main Theme ist wahrscheinlich jenes, das in „Hummel Gets The Rockets“ bei 1:28 vorgestellt wird, eine Art erhabener Marsch, sowohl tragisch als auch heroisch, wie es Zimmer oft in seinen Soundtracks macht. Dieses wird variiert von einer Solo-Trompete weitergetragen, welche auch den Track beendet. In „Rock House Jail“, während des Anfangs von „In The Tunnels“ und besonders heldenhaft ist es in „Rocket Away“ zu hören. Damit verwandt sind unter anderem ein in „Mason‘s Walk – First Launch“ erklingendes, erhabenes Horn-Thema, welches interessanterweise sehr nach John Powells „Ice Age“-Scores klingt (ab 1:24) sowie ein tragisches Stück in „Rocket Away“. In „Jade“ und am Ende von „Rocket Away“ wird außerdem einem sanften, hübschen Flöten-Solo mit leiser Streicher-Untermalung Platz gemacht, sowie in „Fort Walton – Kansas“ einer nach Country anmutenden E-Gitarre mit Schlagzeug, Synthies und auch später Streichern, um dem Hörer eine Pause vom Hauptteil des Scores zu gönnen – der Action!

Genau wie der Film kennt die Musik weder Zurückhaltung noch Subtilität, sondern geht so oft ans Eingemachte, wie nur möglich. In „Hummel Gets The Rockets“ tritt dieser Part des Scores zum ersten Mal bei 3:40 in den Vordergrund, mit krachenden Percussion und schnellen, marschartigen Blechbläsern, den Action-Elementen von „Gladiator“ sehr ähnlich, doch auch „Fluch der Karibik“ ist deutlich herauszuhören. Ab 4:24 kommt eines der markantesten Action-Stücke des Scores zum Tragen, abgeleitet vom Hauptthema, welches sich immer weiter steigert und lauter wird, bis auch eine E-Gitarre mitmischt, zusammen mit Männerchor. Ähnlich geht auch „Rock House Jail“ weiter, wo ab 4:00 ein neues, heroisches Motiv auftritt, in altbewährter Orchestrierung und am ehesten nach Harry Gregson-Williams klingend. Die Melodie ist einfach, aber effektiv und außerdem mit dem Main Theme verwandt, welches schließlich übernimmt und sich auch hier steigert. „In The Tunnels“ mischt industriell klingende Synthies und Schlagzeug sowie Action- und Heimlichkeits-Parts, dasselbe macht „Mason‘s Walk – First Launch“. „Rocket Away“, der längste Titel des Albums, fährt fast sämtliche Bestandteile des Scores auf und vereint sie in einem sehr abwechlsungsreichen Track, hier mit dem Zimmer-Thema kräftiger denn je.

The Chase“ schließlich wurde, wie bereits erwähnt, größtenteils von Gregson-Williams allein übernommen und das hört man auch, denn der Klang der Synthies sowie die orchestralen Arrangements sind unverkennbar sein Stil, gerade das hier vielverwendete Action-Material erinnert extrem an seine Arbeit für die „Metal Gear Solid“-Videospiel-Reihe, aber auch teilweise an seine späteren Werke für Tony Scott. Insgesamt ist es ein sehr flotter und unterhaltsamer Titel, der das Action-Thema mehrmals wunderbar verarbeitet, besonders der Schlagzeug-Anteil überzeugt hier.

Fazit:

Letztendlich muss man natürlich ehrlich sein: „The Rock“ ist keinesfalls hohe Kunst, aber das will er auch gar nicht sein. Viele Soundtrack-Fans werden diesen Score sicher sehr generisch und einseitig finden, aber meiner Meinung nach funktioniert dieses Album beinahe als eine ideale Remote Control-Demo: Hier wurde der Grundstein für die Arbeitsweise, den Klang, den Stil und sogar mehrere spätere Kult-Melodien gelegt und obwohl es schwer fällt zu erkennen, wo genau die Arbeit von welchem Komponisten beginnt und aufhört, so vereinen sich die Bemühungen aller drei Musiker zu einem kohärenten und hörenswerten Gesamtwerk. Fans von Scores wie „Gladiator“, „Pirates of the Caribbean“ und „King Arthur“ werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen und ich vergebe gerne 3,5/5 Punkte an dieses gelungene Album, welches die eben genannten Soundtracks allerdings in einem ganz anderen (weil weniger originellen) Licht erscheinen lässt.

Trackliste mit Längenangabe und Anspieltipps:

  1. Hummel Gets The Rockets – 6:26

  2. Rock House Jail – 10:13

  3. Jade – 1:59

  4. In The Tunnels – 8:41

  5. Mason’s Walk – First Launch – 9:34

  6. Rocket Away – 14:12

  7. Fort Walton – Kansas – 1:38

  8. The Chase – 7:40


3 Gedanken zu “Rückblick: The Rock (1996) – Nick Glennie-Smith, Hans Zimmer & Harry Gregson-Williams

  1. Schon immer wieder faszinierend, wie sich Media Ventures/Remote Control, die hier involvierten Komponisten und auch die allgemeinen Filmmusikkoneventionen gewandelt und entwickelt haben. Gerade der gute Hans selbst hat sich ja spätestens seit 2010 langsam aber sicher in eine Richtung entwickelt, die mir einfach nicht mehr wirklich zusagt. Frühere RCP-Scores, wie eben dieser hier, hatten oft einen besonderen „Sense of Fun“ und eine brachiale Wuchtigkeit, die heute zwar nicht völlig verschwunden, aber doch seltener geworden ist.

    Like

    1. Da hast du recht. Ich meine, seine letzte Rückkehr zum Spaß war sein Co-Credit bei „The Boss Baby“, und das war letztes Jahr. Also ist da immer noch Hoffnung. Mal sehen, was er aus dem neuen X-Men macht. Abgesehen davon haben ihn viele seiner Schüler inzwischen überflügelt (oder bekommen einfach dankbarere Projekte), wie Henry Jackman, Lorne Balfe, natürlich Powell oder die Gregson-Williams-Brüder. Vielleicht denkt Zimmer, dass er lange genug „herumgeblödelt“ hat und will jetzt als avantgardistischer Künstler angesehen werden – nur macht er damit ironischerweise alles schlimmer.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar