Musik komponiert, dirigiert
& Produziert von
Harry Gregson-Williams
Orchestriert von
Ladd McIntosh, Jennifer Hammond,
Jim Honeyman & Hal Rosenfeld
Ergänzende Musik von
Stephanie Economou
„Honor to Us All“ & „Reflection“
komponiert von
Matthew Wilder & David Zippel
Ich habe eine besondere Verbindung zu Disneys „Mulan“ von 1998: Nicht nur machte mich der Film als Kind zum Schwerter-Fan, es ist zudem eine der ersten Erinnerungen, die ich an das Kino habe! So etwas prägt nicht zu knapp und auch heute noch schaue ich den Klassiker gerne, welcher weiterhin mit seinen schönen Farben, spaßigen Figuren und memorablen Songs zu unterhalten weiß, wozu auch einige epische und bildgewaltige Sequenzen beitragen. Das Remake dient in erster Linie dazu, als eine Alternative für das chinesische Publikum zu fungieren, welche im Original keine angemessene Adaption der kulturell wichtigen Volkssage sahen. Unter der Regie von Niki Caro wird nun der Humor reduziert und die im Grunde gleiche Story um etwas mehr Philosophie, Ernsthaftigkeit und Tiefe angereichert, sowie einige Wuxia-Elemente in die Kampfszenen eingebaut. Das Ergebnis ist zwar ein Film mit weniger Persönlichkeit, aber die charismatischen Darsteller, sehr schöne Bilder und eine offensichtlich gut gemeinte und solide vermittelte Botschaft schaffen es, zu einem recht guten Film zusammenzufinden, welcher etwas mehr Daseinsberechtigung vorweisen kann als die meisten anderen Disney-Remakes.
Für das Original erschuf der Meister-Komponist Jerry Goldsmith einen wunderbaren Score voller Emotion, Tempo und Spaß, wobei aber auch die Epik nicht zu kurz kam. Für das Remake holte Niki Caro Harry Gregson-Williams ins Boot, mit welchem sie schon bei „The Zookeeper’s Wife“ zusammengearbeitet hatte. Gregson-Williams bedarf hier eigentlich keiner Vorstellung mehr, gehört er doch in meinen Augen zu den talentiertesten Komponisten aus der Remote Control Productions-Schmiede. Abseits von seinen zahlreichen Animations-Scores („Shrek“, „Flushed Away“, „Arthur Christmas“) vertonte er außerdem die ersten beiden „Narnia“-Filme, „Kingdom of Heaven“ und „The Martian“. Wenn er nicht gerade extrem intensive Thriller vertont, so zeichnen sich seine Soundtracks stets durch kreative Orchestrierungen und sehr memorable Themen aus. Mit „Chicken Run“ (gemeinsam mit John Powell) und „Sinbad“ machte er mich als Kind zum Filmmusik-Fan und entsprechend erhoffte ich mir nicht gerade wenig von seiner musikalischen Version dieser Geschichte. Sind meine Wünsche wahr geworden? Größtenteils ja!
Der Score setzt sich, wie erwartet, aus einem großen Orchester mit Chor und Solisten an chinesischen Instrumenten (unter anderem Pipa, Erhu und Guzheng) zusammen, womit sich Harry Gregson-Williams auch endlich zu seinen RPC-Kollegen Ramin Djawadi („The Great Wall“), Klaus Badelt („Dragon Hunters“, „The Promise“) sowie Hans Zimmer und John Powell („Kung Fu Panda“) gesellen kann, welche mit dieser Kombination auch schon Erfolg hatten. Direkt im ersten Titel, „Ancestors“, wird das Hauptthema vorgestellt, eine Fünf-Noten-Melodie, zunächst auf Flöte mit Zither-Unterstützung, bevor es von erhabenen Streichern übernommen wird. Hier trägt das Thema Erhabenheit und Melancholie in sich, aber bereits bei 1:30 hören wir, wie es sich noch formen lässt: Mit Erhu, Cello, weiteren Zupf-Instrumenten, leichten Percussion und luftigen Holzbläsern wird das Thema auf flotte und muntere Weise variiert, was ein grandioser Start ist, bevor es gegen Ende kurz dramatischer wird. Auch in „Tulou Courtyard“ hören wir es zunächst sanfter, mit Chor und Glockenspiel, bevor es in der Mitte ein kleines bisschen frecher wird.
Das Thema ist Basis des gesamten Scores und wird in vielen Titeln variiert: In „The Lesson of the Phoenix“ hören wir es zunächst mit Klavier und Streichern leise und zurückhaltend, bevor es im weiteren Verlauf wieder erhabener und kräftiger wird, mit Flöte und Chor. In nicht ganz zum Rest passender Comedy-Stilistik kommt es in „The Matchmaker“ vor, dann langgezogen und teilweise episch in „Mulan Leaves Home“. In „Honghui“ ist das Thema in eine neue, hübsche Melodie für Flöte, Streicher, Horn und Chor eingearbeitet, sanft und emotional, „Oath of the Warrior“ lässt es ruhig und entschlossen erklingen, bevor es gegen Ende mit Blechbläsern und Trommeln etwas kräftiger wird und „I Believe Hua Mulan“ präsentiert gleich mehrere schöne Variationen des Hauptthemas. In „Mulan & The Emperor“ kommt ein erlösendes und triumphales Statement zum Tragen, inklusive Chor, „Return to the Village“ bietet eine sehr berührende Version am Schluss auf und in „The Fourth Virtue“ wird es mit ausschweifendem Orchester noch einmal richtig emotional.
„Prince Caspian“ und „Prince of Persia” – aus den Stilen dieser beiden Scores setzt sich „Mulan“ zusammen, und der geneigte Hörer wird somit sicher wissen, was ihn mit „Mulan“ erwartet. Dies wird ganz besonders in den Action-Szenen deutlich: „The Desert Garrison“ bietet nach 1 ½ Minuten die erste entsprechende Sequenz auf, mit Blechbläsern, extrem schnellen Gregson-Williams-Streichern und leicht schrillen fremdartigen Holzbläsern, welche den Schurken Böri Khan und sein Gefolge repräsentieren und direkt von den Hassansinen aus „Prince of Persia“ übernommen wurden, die betreffende, klagend-jaulende Melodie klingt exakt gleich. Bei 2:08 kommen zudem wabernd-.klopfende Synthesizer dazu, welche Harry Gregson-Williams auch schon in anderen Filmen eingesetzt hat und „Mulan“ in diesen Momenten eher wie einen modernen Action-Thriller klingen lassen. Auch in Titeln wie „Mulan Rides into Battle“, „The Witch“, „The Charge”, “Chasing the Hawk” und “Fight for the Kingdom” mischt sich die rasante Action mit den Böri Khan-Klängen, baut hier und dort kraftvolle Mulan-Statements ein und klingt nicht selten extrem furios und intensiv, auch unter Zuhilfenahme der Synthesizer und teilweise sogar einer E-Gitarre.
Einige Titel gehen in eine etwas andere Richtung: „Böry Khan & Xianniang“ ist mit langsamen Streichern, leicht klopfenden Percussion und tiefem Chor bedrohlich, „Four Ounces Can Move a Thousand Pounds“ bietet eine neue Melodie für Flöte, welche mit inspirierendem Effekt und unterstützt von Trommeln, Klavier und anderen Holz- und Blechbläsern immer kräftiger wird (und mich verwirrenderweise an „Man of Steel“ erinnert). „Training the Men“ ist zwar nicht ganz so mitreißend und vergnüglich wie der Song für die Trainings-Montage im Original, aber die Musik schafft es dennoch, die Szene gelungen zu unterstützen, mit schnellen Streichern, kräftigen Trommeln und mehreren gezupften Instrumenten, wobei auch das Hauptthema eingebaut wird. Im Prinzip ist dies die Harry Gregson-Williams-Version von „Joining the Team“ aus John Powells „The Call of the Wild”. In “Mulan & Honghui Fight” überwiegen die chinesischen Percussion und Gongs, gemischt mit Streichern, elektronischen Elementen und dem Mulan-Thema auf Hörnern und in „Imperial City“ wechseln sich leisere Spannungs- und kräftigere Passagen ab.
Und dann gibt es noch hier und dort Momente, wo die Musik des Originals direkt zitiert wird. Mir selbst ist kein Statement des heldenhaften 7-Noten-Goldsmith-Motivs aufgefallen, aber dafür gibt es Referenzen zu zwei Songs: „Honor to Us All“ variiert die gleichnamige Melodie des Liedes komödiantisch und leichtherzig, eingebaut in Horn- und Flöten-Versionen des neuen Mulan-Themas und am Schluss von „Four Ounces Can Move a Thousand Pounds“ hören wir erstmals ein sanftes Statement von „Reflection“. Die Melodie des Selbstfindungs-Songs aus dem Original fungiert hier als eine Art zweites Thema für Mulan und die Akzeptanz ihres wahren Selbst, und entsprechend heroisch und kraftvoll wird es in einer orchestralen Version am Anfang von „Mulan Rides into Battle“ und am Ende von „Fight for the Kingdom“ gespielt, was im Kontext einigermaßen funktioniert, aber doch leicht bemüht wirkt. Außerdem gibt es zwei neue Versionen von „Reflection“ in reiner Song-Form, einmal mit poppigem Arrangement auf Mandarin gesungen von Hauptdarstellerin Yifei Liu und mit größerem Orchester-Anteil vorgetragen von Christina Aguilera. Die Wahl Aguileras als Künstlerin für diesen Film kommt nicht von ungefähr, sang sie doch damals schon die Pop-Version von „Reflection“ für das Original, und zudem bekommt sie auch noch einen ganz neuen Song, um zu glänzen: „Loyal Brave True“ basiert auf dem Hauptthema von Gregson-Williams und wird während des Hauptabspanns gespielt. Tatsächlich mag ich diesen Song sehr und Aguilera trägt ihn mit der ihr typischen Inbrunst und Leidenschaft vor, unterstützt von einem erhabenen Beat und großzügigem Orchester-Anteil.
Fazit:
Es ist nun schon 10 Jahre her, seit Harry Gregson-Williams mit „Prince of Persia“ einen Action-Abenteuer-Score in diesem Stil abgeliefert hat. „Mulan“ bietet einiges mehr auf emotionaler Ebene und auch mehrere der rasanteren Elemente wissen zu überzeugen. Für einen Score, der größtenteils eher monothematisch ist, arrangiert Gregson-Williams das Main Theme erstaunlich abwechslungsreich und sicher, und das Album ist sehr gut strukturiert, mit dem eher spielerischen Beginn, deftigerem Mittelteil und berührendem Schluss. Kann die Musik an die Qualität von Jerry Goldsmiths Original heranreichen? Nicht ganz, obwohl hier die Synthie-Elemente besser funktionieren als einige seltsame Stellen im 98er-Score. Der Approach von Harry Gregson-Williams ist durchaus moderner und zeitgemäßer, aber passt stets zum Film und macht sich auch als Hörerlebnis gut. Mit 4/5 Punkten vermag es dieser Score leider nicht, des Briten absolutes Meisterwerk „Sinbad: Legend of the Seven Seas“ zu erreichen oder gar zu übertreffen. Aber „Mulan“ bietet dennoch genug, um die Fans seiner Arbeit zu unterhalten. Ein ins Ohr gehendes erhabenes Hauptthema, extrem furiose Action, ein leicht verspielter Touch und ein angemessen emotionaler Anteil – so kenne ich Harry Gregson-Williams. Und so liebe ich ihn.
Trackliste mit Längenangabe und Anspieltipps:
- Ancestors – 3:22
- Tulou Courtyard – 3:14
- The Desert Garrison – 3:28
- Böri Khan & Xianniang – 1:38
- The Lesson of the Phoenix – 3:15
- Honor to Us All – 1:55
- The Matchmaker – 2:31
- Mulan Leaves Home – 3:50
- Four Ounces Can Move A Thousand Pounds – 3:40
- Mulan Rides into Battle – 5:41
- Honghui – 1:34
- Training the Men – 3:02
- Mulan & Honghui Fight – 1:26
- Oath of the Warrior – 1:25
- The Witch – 3:42
- “I Believe Hua Mulan” – 3:56
- The Charge – 5:22
- Imperial City – 3:36
- Chasing the Hawk – 2:24
- Fight for the Kingdom – 5:43
- Mulan & The Emperor – 0:58
- Return to the Village – 1:33
- The Fourth Virtue – 5:42
- Loyal Brave True (Christina Aguilera) – 2:46
- Reflection (2020) (Christina Aguilera) – 3:38
- Reflection (Mandarin) (Yifei Liu) – 3:39
I am in fact grateful to the holder of this website who has shared this great piece of writing at at this time. https://tapas.io/newskora
LikeLike
Well, thank you!
LikeLike
Ich muss sagen, ich war von diesem Score fast ein wenig enttäuscht (habe ihn allerdings auch noch nicht im Kontext gehört – und bis das Mulan-Remake regulär auf Disney Plus verfügbar ist, werde ich das auch nicht). Es war definitiv schön, HGW mal wieder im epischen Modus zu hören, „Mulan“ ist zweifelsohne unterhaltsam und mehr als solide, aber irgendwie war mir das Ganze dann doch ein wenig zu nah an „Prince of Persia“ – nur eben mit ostasiatischen statt arabisch/persischen Instrumenten. Insgesamt ist einfach relativ wenig hängen geblieben; außer den Einsätzen von „Reflection“ und „Honour to Us All“. Ich fand es auch recht schade, dass HGW keine Anspielung an den Goldsmith-Score des Originals eingebaut, meiner Meinung nach einer der gelungensten, aber am wenigsten beachteten Scores der Disney-Renaissance.
LikeLike
Ach, das ist schade. Aber ich kann dich verstehen. Er ist nicht so awesome, wie ich gehofft hatte, aber reichte fast an meine Erwartungen heran. Und du hast Recht mit Prince of Persia, hihi. Dennoch, das neue Hauptthema hat es mir sehr angetan und ich höre ihn immer noch gern dann und wann. Und ich stimme dir bei dem Goldsmith-Score zu, der ist toll!
LikeGefällt 1 Person