The Lord of the Rings: The Rings of Power – Bear McCreary

Rings of Power 1

Musik komponiert & Produziert von
Bear McCreary
Titel-Musik komponiert von

Howard Shore
Orchester dirigiert von

Bear McCreary, Cliff Masterson,
Gavin Greenaway & Anthony Weeden
Chöre dirigiert von

Gottfried Rabl, Bernhard Melbye Voss
& Daryl Griffith
Orchestriert von

Jonathan Beard, Edward Trybek,
Henri Wilkinson, Sean Barrett,
Jamie Thierman & Benjamin Hoff
Solist*innen:

Sandy Cameron (Violine),
Paul Jacob Cartwright (Fidel),
Olav Luksengard Mjelva (Hardanger-Fidel),
Erik Rydvall (Nyckelharpa),
Malachai Bandy (Viola da Gamba, Yayli Tanbur),
Eric Byers (Cello),
Eric Rigler (Pipes & Flöten),
Bruce Carver (Bodhrán),
MB Gordy (Percussion),
Zac Zinger (Sakuhachi),
William Roper (Kriegshörner & Flöten),

Raya Yarbrough, Sophia Nomvete,
Megan Richards, Janet Roddick,
Sladja Raicevic, Laura Maier
& Fiona Apple (Gesang)

„Lebe wohl, Mittelerde. Auf das wir – wenn schon nichts neues kommt – deine alten Klänge noch oft besuchen mögen, um die Magie neu zu entfachen. Wieder und wieder. Danke, Howard Shore.“

Mit diesen Worten endete meine 2014 verfasste Besprechung des Scores zu „The Hobbit: The Battle of the Five Armies“. Damals dachte ich noch, dass wir nie wieder solch hochwertige Musik zu J.R.R. Tolkiens Mittelerde-Geschichten hören würden. Aber nun, 2022, hat Amazon eine Serie herausgebracht, in welcher Elemente der „The Lord of the Rings“-Bücher sowie deren Anhänge mit den eigenen Ideen der Showrunner und Autor*innen kombiniert wurden. Das Ergebnis ist im Prinzip höchst aufwendige Fanfiction und ohne Zweifel die teuerste Fernsehserie, die je produziert wurde. Tatsächlich sieht man jeden einzelnen Cent davon, visuell ist die Serie eine Augenweide und die Schauspieler*innen hauchen bereits bekannten als auch neuen Figuren ordentlich Leben ein. Zwar werden sich hier ordentlich Freiheiten herausgenommen, aber dennoch atmet hier so vieles den Geist von Tolkien. Ich war sehr glücklich darüber, ein weiteres Mal in diese von mir so geliebte Welt eintauchen zu dürfen und es hat nicht lange gedauert, bis mich die Magie der Serie in ihren Bann schlug.

Auch bei der Musik ging man äußerst bedacht vor: schon früh wurde gemunkelt, dass wieder Howard Shore beteiligt sein würde, doch dazu später mehr. Als die ersten Gerüchte aufkamen, dass Bear McCreary als Hauptkomponist fungieren sollte, hätte meine Freude nicht größer sein können. McCreary ist ohne Zweifel einer der am meisten beschäftigten Komponist*innen unserer Zeit, jedes Jahr komponiert er gut und gerne über ein halbes Dutzend Scores, darunter für Serien („The Walking Dead“, „Black Sails“, „Outlander“), Filme („Godzilla: King of the Monsters“, „Happy Deathday“, „Colossal“) und Videospiele („Assassin’s Creed: Syndicate – Jack the Ripper“, „Defiance“, „Dark Void“). Ich bin ein großer Fan seiner Arbeit und wusste, dass er für „The Rings of Power“ etwas ganz besonderes erschaffen würde. Und was soll ich sagen: genau das ist geschehen.

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Lasst mich hier betonen, dass Howard Shores „The Lord of the Rings”-Scores meiner Meinung nach die beste Filmmusik aller Zeiten darstellen: ein dreiteiliges Werk von wagnerischen Ausmaßen, welches dem kanadischen Komponisten zu recht drei Oscars einbrachte und für die vielfältige Welt Tolkiens stets die richtigen Töne fand. Seine „The Hobbit“-Scores stehen nur minimal dahinter und bereicherten die Peter Jackson-Version der Bücher um weitere schöne und stets passende Melodien und Klänge. Da dies nun gesagt ist, muss ich jedoch gestehen, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn man auf Shores Beteiligung an „The Rings of Power“ verzichtet hätte. Bear McCreary ist durchaus in der Lage, wundervolle Titel-Themen zu komponieren, aber wohl, um gewisse Fans milde zu stimmen, ließ man dieses hier eben Howard Shore schreiben. Da sich auch die Serie selbst sehr auf die Elben als Dreh- und Angelpunkt der Story konzentriert, klingt sein Thema wie eine Mischung seiner Elben-Melodien aus der „Rings“-Trilogie, mit den ersten paar Noten seines Bruchtal-Themas, dem ätherischen Chor und den ausschweifenden sowie teilweise bedrohlichen Blechbläsern. Das Ergebnis ist zum Glück nicht so fürchterlich langweilig und vergessenswert wie John Williams‘ „Obi-Wan Kenobi“-Thema zur gleichnamigen Serie, passt stilistisch auch besser zum Rest des Scores, ist aber dennoch nicht so eingängig und gelungen wie der Rest der Musik – womit wir zu McCrearys eigentlichem Score kommen.

Was man zunächst noch erwähnen muss, ist die schiere Masse an erhältlicher Musik: ein paar Tage vor Serienstart wurde ein 2 ½-Stunden-Album veröffentlicht, mit folgender Ankündigung von McCreary: „This is just the beginning.“ Wie der Score releast wurde, ist tatsächlich etwas Besonderes: jeden Freitag, bei Erscheinen einer neuen Folge, wurde das jeweilige Score-Album dieser Episode veröffentlicht, wobei die Cues für die verschiedenen Szenen jeweils zu „Location-Gesamt-Tracks“ zusammengeschnitten wurden, quasi als Suiten, um ein weniger sprunghaftes Hörerlebnis zu bieten (in den Folgen selbst wird viel öfter zwischen Handlungsorten hin- und hergewechselt). Dabei ist fast jede Sekunde Musik der jeweiligen Folgen auf den Alben enthalten. Das erste, lange Gesamt-Album enthält jedoch sehr viel neues Material: Orts- und Charakter-Themen wurden hierfür noch einmal neu aufgenommen und bilden eigene Suiten, welche sich von der Musik, die in den Episoden zu hören ist, unterscheiden.

“I had been planning for the main “Season One Soundtrack Album” from day one. As I scored the episodes, I also composed separate symphonic tracks for each of my primary themes, crafting tracks that stand on their own. These pieces drew components from my original theme sketches, as well as significant theme quotations from various moments in the dramatic score. On occasion, I even combined these elements with new musical material I intend to use in later seasons.” – Bear McCreary, The Lord of the Rings: Appendices Part 4

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Ich persönlich finde das großartig: je mehr, desto besser! Dies macht eine umfassende Besprechung jedoch knifflig. Behandeln wir die einzelnen Alben also während dieser Review wie ein gigantisches, fast 10 Stunden langes Album! Die obligatorische Trackliste ist, um Klarheit zu schaffen, in die verschiedenen Alben unterteilt. Das Orchester wurde dabei in London aufgenommen, der Chor in Wien und verschiedene Solist*innen in Los Angeles. Aufgrund der schieren Größe dieses Projektes und des engen Zeitplans konnte McCreary nicht, wie meistens sonst, alles selbst dirigieren, allerdings schwang er für die letzte Folge den Taktstock und wahrscheinlich auch für die neuen Aufnahmen des Gesamt-Albums. Insgesamt arbeitete McCreary gute 9 Monate an dem Score und für mehr Details empfehle ich, unbedingt seinen Blog zu lesen: dort geht er sehr ausführlich auf viel mehr Aspekte seiner Reise mit dem Projekt ein, als ich es hier je könnte.

Direkt zu Beginn der ersten Folge („Prologue“ oder, in etwas geraffter Version „In the Beginning“) werden wir musikalisch in die Welt der Elben eingeführt, genauer gesagt in deren Herkunftsland „Valinor“, mit dem entsprechenden Thema, eine melancholische, sehnende Melodie für Kinder- und später gemischten Chor. Die Musik spiegelt hier perfekt die Unberührtheit und Vollkommenheit der Heimat der Elben wider, aber auch die Sehnsucht des Volkes nach ihren nun so fernen Gestaden. Dies geht schon bald in das eigentliche Hauptthema der Serie über, in das von „Galadriel“, ein ebenfalls melancholisches, aber auch erhabenes und hoffnungsvolles Stück für Orchester und Chor, wobei die Hörner die dominanten Instrumente sind. Dieses untermalt eine epische Enthüllung, bevor es weitaus düsterer wird: das Thema für „Sauron“ ist das genaue Gegenstück zu Galadriel, hier herrschen treibende Streicher-Ostinati vor, die eine bedrohliche Melodie für Orchester und Chor tragen, welcher in der schwarzen Sprache singt. Weiterer Chor bringt ordentlich Dramatik in die Musik, wobei Saurons Thema gegen Ende mehr Raum bekommt. „Forodwaith“ begleitet Galadriel auf ihrer Suche nach Sauron mit eiligen Variationen ihres Themas, gemischt mit dramatischem Chor und einigen Action-Versatzstücken. Nach weiteren, teilweise unheimlichen Chor-Statements bekommen wir abermals eine Action-Stelle und mit der Titelenthüllung hören wir ein geheimnisvolles Chor-Motiv, welches allgemein für die mystischen, magischen Artefakte dieser Welt gedacht ist. Stilistisch ist dabei der gesamte Score am ehesten mit „God of War 2018“ zu vergleichen, ein weiterer McCreary-Fantasy-Soundtrack, welchen ich sehr liebe: zuweilen erinnern Orchester- und Chor-Einsatz sehr an Kratos‘ nordische Abenteuer.

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Wie schon gesagt ist Galadriels Thema das eigentliche Hauptthema des Scores (sie ist der einzige Charakter, der in allen Folgen auftritt). Entsprechend häufig ist ihr Thema zu hören, oft gemeinsam mit anderem Material. „Return to Lindon“ macht klar, wie streng leitmotivisch Bear McCreary vorgeht und wie er es schafft, mehrere Themen scheinbar spielend leicht miteinander zu verweben: der Track beginnt mit dem Thema für „Elrond Half-elven“, welches mit romantischen Streichern und Holzbläsern, aber auch Blechbläsern und Chor überraschend sanft, offen und einladend klingt. In diesem Fall dient es als Intro-Musik für Lindon, geht dann in die Valinor- und gleich darauf in Galadriels Melodie über. In eine ähnliche Richtung geht auch „Gil-Galad’s Gift“, wo erneut Elbenklänge inklusive Chor dominieren, wonach wir mehrere Versionen von Galadriel hören.

Zu meiner Lieblings-Musik gehören die Klänge der Haarfüße („Haarfoot Life“), die etwas wilderen, umherziehenden Vorfahren der Wesen, die später als Hobbits bekannt sein werden. In „Beyond Our Wandering“ werden sie vorgestellt, kurz nach Beginn mit dem Thema für das Volk selbst, bestehend aus Dudelsäcken, Streichern, Klanghölzern und verschiedenen Percussion, welche eine leicht komödiantische und angemessen niedliche Melodie formen. Dies wechselt sich mit dem Thema für „Nori Brandyfoot“ ab: die Figur wird durch die sowohl unschuldig als auch neugierig klingende Melodie perfekt charakterisiert, oft von Flöten, Streichern, leichten Percussion und sanftem Dulcimer getragen.

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Gegen Ende von „Celebrimbor’s Ambition“ werden wir in das Reich und die Kultur der Zwerge eingeführt, hier bei 2:44 mit erhabenem Männerchor und Blechbläsern und in „Into Khazad-dûm“, wo mir genau wie Elrond die Augen übergingen, in vollständiger Form: „Khazad-dûm“ hat einen stampfenden Marsch für Bassstreicher, Trommeln, Hammerschläge, Blechbläser und erst Männer-, später gemischten Chor abbekommen, wobei die Stimmen einige Wörter in Tolkiens Zwergensprache Khuzdul singen. Die Musik klingt nach einer im wahrsten Sinne des Wortes tiefgehenden Kultur – umso passender. Im weiteren Verlauf von „Into Khazad-dûm“ hören wir neben einigen Elrond-Statements auch erstmals Durins Thema, hier noch unterschwellig, bevor es in „Durin and His Family“ erstmals vollständig hervortritt: der Zwergenprinz und dessen rauer Charme werden durch einen leicht komödiantischen, stolzierenden Marsch für Cello, Dulcimer, leichte Percussion und teilweise kratzende Streicher sehr gut repräsentiert, denn der Charakter zeichnet sich sowohl durch Schläue als auch eine gehörige Portion Frechheit aus. Das Thema hat hierbei gewisse Ähnlichkeiten zum Drunken March von Captain Jack Sparrow, aber das Ende des Tracks sowie die abschließende Variation von „Durin IV“ zeigen eine bedächtigere und sehr viel emotionalere Seite der Figur.

Das Inselkönigreich „Númenor“ wird innerhalb der Serie mit „Into Númenor“ ausführlich vorgestellt. Bear McCreary gab diesem Menschenvolk bewusst einen morgenländisch klingenden Sound, mit entsprechenden Trommeln, Streichern, Duduk, türkischer Yayli Tanbur und Chor, um sie als eine besondere Kultur zu etablieren, deren distinktive Musik irgendwann nicht mehr in Mittelerde existieren wird. Das Thema klingt sehr erhaben, selbstverständlich königlich und des Öfteren wahrhaftig episch, tatsächlich wird es im Verlauf der Serie zu einem der Hauptthemen. Zu den Klängen Númenors gehört auch das Thema für Elendil und seine Familie, in diesem Fall Isildur und dessen Schwester Earien, welches auch das „Faithful“-Thema genannt wird. Eine schöne Übersicht zu den Variationen des Themas offeriert der Track „Elendil and Isildur“, wo wir die nobel klingende Melodie mit Blechbläsern, leichten Percussion und interessanterweise Gitarren hören, mal gefühlvoll, mal etwas erhoben-edler – dies ist eine Familie mit Vergangenheit! Eine flotte Action-Version mit sausenden Streichern und Trommeln stellt in „The Tests of Isildur and Earien“ zunächst den Sohn, dann in gemäßigterer Form die Tochter vor.

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Halbrand, der geheimnisvolle, schiffbrüchige Mensch, welchem Galadriel in Folge 2 begegnet, teilt sich ein Thema mit den Südlanden: hier klingt die Musik am ehesten mittelalterlich, zumeist mit Fideln, Nyckelharpa und Dulcimer gespielt. Dabei erinnern die ersten 5 Töne sowie deren Variation gleich darauf an ein ganz bestimmtes anderes Thema aus dem Score – eine Verbindung, die es in sich hat. Das Thema in dieser Form klingt jedenfalls auf sehr traditionelle Art nobel, aber auch gewissermaßen gebeutelt: dieses Volk hat so einiges mitgemacht. „Halbrand“ repräsentiert das Thema in verschiedenen Versionen, aber wer mehr hören möchte, dem sei „The Southlands“ ans Herz gelegt, wo der Melodie sehr viel Platz eingeräumt wird und auch ein weiteres schönes Thema vorstellt, nämlich dasjenige für „Bronwyn and Arondir“. Ich wünschte, den beiden Charakteren wäre noch etwas mehr Raum für Entfaltung gegeben worden, aber die Musik der beiden bringt die Zuneigung zwischen der Menschenfrau und dem Elben sehr gut zum Tragen. Es ist eine sanfte Melodie für Streicher und Holzbläser, besonders Klarinette, wobei die ersten vier Töne, welche interessanterweise an „The Rains of Castamere“ erinnern, immer dann erklingen, wenn Arondir etwas heroisches tut. Nur für Bronwyn oder beide Figuren zusammen hört man das Thema vollständig.

Dann wäre da noch das Thema für den „Stranger“, den rätselhaften Fremden, welcher vom Himmel fällt und mit Nori nach und nach Freundschaft schließt. Vermischt mit den Sauron-Ostinati beendet es „The Boat and the Crater“ und erklingt anschließend in „Carrying a Giant“ sowie ausführlich in „Offering Snails“ und „Constellation of Fireflies“, oft abwechselnd mit Noris Melodie. Das Thema ist für Gongs und verschiedene Streicher geschrieben und klingt selbstverständlich mysteriös und im besten Sinne magisch. Tatsächlich war die Melodie das Erste, was wir musikalisch von der Serie überhaupt zu hören bekamen, untermalte doch eine Variation dieses Themas das Video zur Titel-Enthüllung.

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Auch die Orks unter dem zunächst mysteriösen Adar haben ein Thema, „Nampat“ (was „Tod“ bedeutet), einen aggressiven, düsteren Marsch für Männerchor, welcher in der schwarzen Sprache singt, dazu gibt es dröhnende Blechbläser und kräftige Percussion. Dabei hören wir ein 6-notiges, tückisch und klagend klingendes Thema, welches Adar selbst gewidmet ist. „In the Trench“ und das Ende von „Breaking Chains“ variieren dieses Material, bis wir es in „Adar Lord-father“ ausführlicher hören, begleitet von einem Laut, der an den „Winter Soldier Scream“ von Henry Jackman erinnert. Noch dazu gibt es eine weitere Gruppe Schurken, ein Trio von rätselhaften Priesterinnen, welche dem „Stranger“ auf der Spur sind. Deren Material, das der „Mystics“, stößt ein wenig in Horror-Gefilde vor: tückische, zischend-flüsternde Stimmen dominieren hier und mischen sich im Verlauf des gleichnamigen Titels zu gewaltig tönenden Statements des Stranger-Themas. Eine ausführlichere Version dieses Tracks bietet „Confronting the Mystics“ auf und deren Musik ist auch in „Encountering Servants“ und „The Extinguished Torch“ zu hören, wobei wir auch jeweils tragische Variationen des Haarfuß-Materials hören.

All diese Themen, Melodien und Motive werden von Bear McCreary ausführlich variiert, wobei er es schafft, jedem Thema im richtigen Moment ein distinktives und angemessenes Statement zu geben. „The Boat and the Crater“ ist ein sehr gutes Beispiel, wo wir das Valinor-Thema teilweise sogar diegetisch gesungen hören, welches sich mit Galadriels Thema, aber auch dramatischeren Sauron-Anspielungen vermischt. „Nobody Goes Off Trail“ beginnt mit summendem Männerchor sehr mystisch, beinahe archaisch, bevor die munteren Klänge der Haarfüße dazukommen und der Track mit einer sehr schönen Nori-Version für Orchester und Chor ausklingt. „White Leaves“ beginnt mit Galadriels Thema als Klagegesang, geht dann in das Elendil/Isildur-Thema über und mündet in mehrere kräftige Númenor-Statements, wobei ein weiteres Mal Galadriels Melodie ertönt. Wer mehr Zwergen-Material hören möchte, sollte zu Titeln wie „The Secrets of the Mountain“, „In the Mines“, „A New Ore“, „Father Figures“, „Fire and Rock“, „The Vein“ und „A Leaf Burns“ greifen, wo wir nicht nur die Melodie für Khazad-dûm, sondern auch Durin und Elrond hören, mal kräftiger, mal sanfter und teilweise sogar mit tragischer Note. „To the Hall of Lore“, „Civil Unrest in the Island Kingdom”, “Númenor Prepares” und “Black Flags” sind die richtige Wahl, wenn es um die Klänge von Númenor, aber auch diejenigen von Elendil und seiner Familie geht, wobei die Musik ebenfalls viele Variationen erfährt. Es gibt sogar einen Bonus-Track in Form von „Street Musicians“, wo wir alle Beispiele von diegetischer „Volksmusik“ aus Númenor hören, wobei mir der letzte Part, welcher bei 2:44 beginnt, mit seinen Schalmeien, Händeklatschen, Gitarren und leichten Trommeln am besten gefällt.

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Wem nach der Musik für die Südlande und Halbrand zumute ist, derjenigen Person seien „Find the Light“, „The Promised King“, die zweite Hälfte von „Into Númenor“, der Beginn von „Both Our Bloodlines“, der Schluss von „Adar Lord-father“ und Teile von „A Leaf Burns“ empfohlen. Galadriels Thema mischt sich bei diesen Gelegenheiten auch oft dazu und wird seinem Status als eigentliches Hauptthema der Serie mehr als gerecht. Wer von den Haarfüßen nicht genug bekommen kann, schaltet am besten zu „Carrying a Giant“, „Nobody Walks Alone“ (Hier mit sehr spaßigen Nori-Variationen), „We Wait For You“ (mit tragischer, bedächtiger Note), „The Grove“ (sowohl hübsch als auch geheimnisvoll), „The Apple“ (Noris Thema klingt hier mit Flöte wahnsinnig traurig) und schließlich zu „Wise One“, wo ausführlich vom Haarfuß-Material Abschied genommen wird, mit einem wundervollen Nori-Statement am Ende auf von Orchester und Chor gestützter Flöte: ein neues Kapitel hat begonnen! In den meisten dieser Fälle ist auch das „Stranger“-Thema präsent. Ein weiteres Highlight ist „Sailing into the Dawn“, welches mit einer tönenden Halbrand-Version über geradezu knallenden Trommeln eröffnet und dann in mehrere Númenor-Variationen übergeht, wobei auch Galadriels Thema triumphierend und erhaben erklingt.

Es gibt nicht viel Action in der Serie, aber wenn diese eintritt, so sorgt McCreary dafür, dass diese entsprechend wuchtig untermalt wird: „Breaking Chains“ klingt mit dröhnenden, flirrenden Blechbläsern, sausenden Streichern und Percussion gewaltig, wobei Arondirs Motiv einige Male ertönt. In „Theo in the Shadows“ vermischt sich das Südlande-Material mit den aggressiven Klängen der Orks und von Sauron und mündet in eine heroische Arondir-Version am Schluss. In „Wolves“ unterbricht das Stranger-Thema mit gewaltigem Chor die orchestrale Wildheit, um zur Hilfe zu eilen, „March of Orcs“ beginnt gruselig und gefahrvoll mit Adars Thema, geht dann in den „Nampat“-Marsch und schließlich in Arondir-Statements mit ordentlich Chor und Südlande-Statements über. Und „The Siege in the Southlands“ ist ein absolutes Monster von einem Track, über 20 Minuten lang, wobei allerdings dessen Highlights in mehrere kürzere Tracks auf dem Gesamt-Album aufgeteilt sind, sodass man auf der Suche nach der persönlichen Lieblingsstelle nicht lange spulen muss: DAS nenne ich KUND*INNENFREUNDLICHKEIT! „For the Southlands“ wird mit tückischen Streicher- und Harfen-Zupfern eröffnet und wechselt dann zu wilder Action, wobei wir die Südlande sehr entschlossen hören, allerdings immer wieder von den Ork-Klängen unterbrochen. „Calvary“, einer der absoluten Höhepunkte des gesamten Scores, beginnt mit heroischen Númenor- und Galadriel-Statements und ist nur der Anfang des von knallenden Trommeln, flirrenden Blechbläsern und wilden Streichern getragenen Kampfes, wobei auch Elendil/Isildur, Halbrand und Arondir vorkommen. Und „Nolwa Mahtar“ ist ein dramatischer Track für Elben-Chor und sehr schnelles Orchester, welcher eine Verfolgungsjagd zu Pferde sowie den Abspann der betreffenden Folge untermalt. Besonders hervorheben möchte ich jedoch das wundervoll betitelte Stück „Scherzo for Violin and Swords“, wo größtenteils flotte Geigen eine Trainings-Sequenz vertonen und es fröhlich-frech und spaßig zugeht, am Ende mit einem kurzen Galadriel-Statement.

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„Water and Flame“ (auch in längerer Version mit einer schönen Faithful-Variation) ist nicht nur extrem laut, sondern auch wahnsinnig pompös. „The Broken Line and Broken Silence“ bietet wieder das Valinor-Thema auf, allerdings durchsetzt von leicht dissonanten Streichern: hier stimmt etwas nicht, woran auch Galadriels schöne Melodie nichts ändern kann. Schließlich haben wir Gewissheit, als Saurons Thema mittels klagenden Gesangs erklingt und sich immer weiter dramatisch steigert. Sein Thema sowie das einer gewissen anderen Person vermischen sich gerade zu Beginn auf sehr unheilvolle Weise. Ansonsten dominiert das Thema für die magischen Artefakte Mittelerdes die letzte Folge, ganz besonders in „Power Over Flesh“ und „True Creation Requires Sacrifice“, beide Male auch mit Statements von Elrond. Im letztgenannten Fall hören wir abermals Galadriels Thema, nun klagend, aber auch erlöst klingend. Hier tritt auch eine neue Melodie zutage, „Where the Shadows Lie“, welches stilistisch dem „Rings“-Material von Howard Shore am Nächsten kommt und auch die Ringe und deren Zweck musikalisch repräsentiert.

Bear McCreary entschied sich bewusst dafür, in diesem Fall nicht die Hilfe von ergänzenden Komponist*innen in Anspruch zu nehmen, obwohl dies bei einem derart riesigen Projekt mehr als gerechtfertigt gewesen wäre. Tatsächlich komponierte er jede Note allein, mit der Ausnahme einiger Stellen, welche interessanterweise zumeist diegetische Musik beinhalten: „A Plea to the Rocks“ mündet nach sakralem Elbenchor in fremdartig klagenden Gesang, in diesem Fall denjenigen von Schauspielerin Sophia Nomvete, welche als Zwergenprinzessin Disa der Musik einen nahezu rituellen Sound verleiht, wobei sie diesen Part gemeinsam mit McCreary schrieb. „This Wandering Day“ ist ein Haarfuß-Lied, von welchem wir zwei Versionen hören: einmal vorgetragen von Schauspielerin Megan Richards in-character als Poppy und dabei eine Reise-Montage untermalend – eine Sequenz, die mich zutiefst bewegt hat. Gerade in Momenten wie diesem atmet die Serie vollständig den Geist von Tolkien. Den Text schrieb Co-Showrunner J.D. Payne und die Melodie komponierte die neuseeländische Band Plan 9, welche schon an den „The Lord of the Rings“- und „Hobbit“-Filmen mitwirkte (von ihnen stammt die inzwischen legendäre „Misty Mountains“-Melodie), wobei McCreary den Song orchestral arrangierte. Die zweite Version hören wir im Abspann derselben Folge, diesmal gesungen von Plan 9-Mitglied Janet Roddick, mit ein wenig mehr „Phatos“. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht entscheiden, welche Version ich schöner finde, beide sind wundervoll. Und auch von „Where the Shadows Lie“ gibt es eine gesungene Version, welche das letzte Stück der Staffel bildet und das berühmte Ring-Gedicht über die Melodie legt. Fiona Apple singt mit sehr viel Inbrunst, aber auch Verschlagenheit, was insgesamt sehr an „Gollum’s Song“ aus „The Two Towers“ erinnert. Die Wirkung spricht jedenfalls für sich, das Lied klingt versuchend, bedrohlich und schön zugleich.

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Fazit:

Inzwischen steht wohl außer Frage, dass „The Lord of the Rings: The Rings of Power“ meiner Meinung nach ein 5/5-Punkte-Score durch und durch ist. Was Bear McCreary und sein Team hier geschaffen haben, ist ein absoluter Triumph: ein themen- und facettenreicher sowie memorabler Score, dessen Melodien stets den richtigen Ton treffen: Galadriels würdevolle und leidenschaftliche Art, die Unschuld und Neugier von Haarfuß Nori, die altehrwürdige Kultur der Zwerge, Durins schelmisches Wesen, Elronds Mitgefühl, die königliche Geschichte Númenors, die Brutalität der Orks – all das und noch viel mehr hat genau die Klänge bekommen, die jeweils perfekt passen. Und noch besser: McCreary schafft es, dabei stets er selbst zu bleiben, Vergleiche mit Shores großartigem Material für diese Welt drängen sich kaum auf.

Natürlich konnte ich nicht auf jedes Detail eingehen, aber dank dieses besonderen Releases haben wir nun fast 10 Stunden Musik, aus der ich persönlich mir meine Highlights herausgesucht habe – was ihr ebenfalls tun könnt. Das Gesamt-Album, auch auf CD und Vinyl erhältlich, deckt dabei alle Themen und die wichtigsten Momente sehr gut ab, aber auf den Alben zu den einzelnen Folgen gibt es so viel an großartigem Material, welches man sich nicht entgehen lassen sollte. Ich kann jedenfalls nur meine uneingeschränkte Empfehlung für diese wundervolle Musik aussprechen, für mich persönlich nicht nur der beste Score des Jahres, sondern auch die beste Fantasy-Musik, die ich seit vielen Jahren gehört habe… höchstwahrscheinlich die beste seit „The Return of the King“. Und ich kann nicht erwarten, was McCreary und sein Team für die übrigen Staffeln kreieren werden. Die ergriffenen Schauer, welche mir diese Musik, die ich seit Erscheinen bereits unzählige Male gehört habe, jedes Mal aufs Neue durch den ganzen Körper jagt, kann ich kaum in Worte fassen.

Mittelerde lebt noch. Es atmet. In märchenhaften, spektakulären Farben und begleitet von vielfältigen, epischen Klängen. Und diese Tatsache macht mich unfassbar glücklich.

Tracklisten mit Längenangabe & Anspieltipps:

Gesamt-Album:

  1. The Lord of the Rings: The Rings of Power Main Title (Howard Shore) – 1:34
  2. Where the Shadows Lie (feat. Fiona Apple) – 3:49
  3. Galadriel – 3:44
  4. Khazad-dûm – 3:20
  5. Nori Brandyfoot – 2:50
  6. The Stranger – 5:03
  7. Númenor – 4:32
  8. Sauron – 2:45
  9. Valinor – 2:40
  10. In the Beginning – 7:49
  11. Elrond Half-elven – 3:23
  12. Durin IV – 3:05
  13. Harfoot Life – 2:22
  14. Bronwyn and Arondir – 2:47
  15. Halbrand – 2:56
  16. The Boat – 4:08
  17. Sundering Seas – 2:41
  18. Nobody Goes Off Trail – 4:25
  19. Elendil and Isildur – 4:16
  20. White Leaves – 4:42
  21. The Secrets of the Mountain – 3:49
  22. Nolwa Mahtar – 2:02
  23. Nampat – 2:34
  24. A Plea to the Rocks – 3:48
  25. This Wandering Day – 2:10
  26. Scherzo for Violin and Swords – 1:53
  27. Sailing into the Dawn – 4:18
  28. Find the Light (Amazon Music Exclusive) – 3:26
  29. For the Southlands – 4:32
  30. Cavalry – 4:06
  31. The Promised King (Amazon Music Exclusive)– 4:05
  32. Water and Flame – 3:30
  33. In the Mines – 8:14
  34. The Veil of Smoke – 5:00
  35. The Mystics – 7:55
  36. Perilous Whisperings – 2:41
  37. The Broken Line – 5:56
  38. Wise One – 8:45
  39. True Creation Requires Sacrifice – 5:52
  40. Where the Shadows Lie (Instrumental) – 3:05

Episode 1:

  1. Prologue – 7:26
  2. Forodwaith – 8:38
  3. Beyond Our Wandering – 7:17
  4. Return to Lindon – 3:30
  5. Gil-galad’s Gift – 6:16
  6. The Southlands – 9:35
  7. Strange Skies – 3:55
  8. The Boat and the Crater – 6:08
  9. Where the Shadows Lie (Instrumental) – 3:04

Episode 2:

  1. Carrying a Giant – 6:27
  2. Celebrimbor’s Ambition – 3:50
  3. Into Khazad-dûm – 6:07
  4. Offering Snails – 4:21
  5. Adrift – 4:48
  6. Durin and His Family – 3:50
  7. On the Raft – 5:37
  8. From Under the Floorboards – 7:17
  9. Constellation of Fireflies – 5:10
  10. Bloodthirst – 2:01

Episode 3:

  1. Into Númenor – 8:26
  2. The Tests of Isildur and Earien – 6:02
  3. In the Trench – 4:43
  4. To the Hall of Lore – 3:49
  5. The Successor – 3:26
  6. Nobody Walks Alone – 5:49
  7. We Wait For You – 6:00
  8. Both Our Bloodlines – 5:25
  9. Breaking Chains – 4:12
  10. Street Musicians (Bonus Track) – 3:37

Episode 4:

  1. Civil Unrest in the Island Kingdom – 9:35
  2. Adar Lord-father – 4:26
  3. A New Ore – 8:41
  4. The King in the Tower – 7:50
  5. Theo in the Shadows – 6:43
  6. A Plea to the Rocks (feat. Sophia Nomvete) – 3:47
  7. Father Figures – 8:36
  8. White Leaves – 5:15

Episode 5:

  1. This Wandering Day (feat. Megan Richards) – 2:09
  2. The Perils of Migration – 6:19
  3. Númenor Prepares – 7:18
  4. Wolves – 5:29
  5. The Fading Light – 8:13
  6. The Saboteur – 7:22
  7. Only Blood Can Bind – 4:03
  8. Destined for the Darkness – 4:42
  9. The Confession and Sailing into the Dawn – 7:14
  10. This Wandering Day (feat. Janet Roddick) – 2:19

Episode 6:

  1. March of Orcs – 5:13
  2. The Coming of Night – 3:28
  3. In Defiance of Death – 5:32
  4. The Siege in the Southlands – 20:08
  5. Transformed by Darkness – 8:23
  6. Sorrow, Water and Flame – 6:12

Episode 7:

  1. Crimson Aftermath – 3:03
  2. The Grove – 3:44
  3. Fire and Rock – 6:31
  4. Only Grey – 4:51
  5. The Apple – 4:12
  6. Memories of Dancing – 3:48
  7. The Vein – 7:50
  8. The Extinguished Torch – 4:32
  9. Infirmary – 6:33
  10. A Leaf Burns – 9:53

Episode 8:

  1. Encountering Servants – 2:29
  2. An Intriguing Suggestion – 8:44
  3. Power Over Flesh – 7:44
  4. Confronting the Mystics – 11:12
  5. Black Flags – 3:30
  6. The Broken Line and Broken Silence – 11:31
  7. Wise One – 8:45
  8. True Creation Requires Sacrifice – 5:51
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