Musik komponiert von
Michael Giacchino & Nami Melumad
Score produziert von
Michael Giacchino
Dirigiert von
Cliff Masterson & Anthony Weeden
Orchestriert von
Jeff Kryka, Curtis Green,
Ludwig Wicki & Pedro Osuna
Solist*innen:
Caroline Dale (Cello), Richard Watkins (Horn),
Skaila Kanga & Camilla Pay (Harfe),
Grace Davidson & Joanna Forbes L’Estrange (Gesang)
Als Taika Waititi als Regisseur für ”Thor: Love and Thunder” angekündigt wurde, war ich zunächst erfreut: mit ”Thor: Ragnarok” hatte er eine spaßige Sause abgeliefert, welche nicht nur mit guter Action, sondern auch dem für den Neuseeländer typischen versponnenen Humor aufwarten konnte. Sein ”One for Them, One for Me”-Approach bei seiner Karriere hat uns abseits seiner Blockbuster-Werke solche Perlen wie ”The Hunt for the Wilderpeople” und ”Jojo Rabbit” beschert und ich war gespannt darauf, was er im Fall seines zweiten Thor-Filmes tun würde. Doch in diesem Fall scheint der Fakt, dass er wohl vertraglich dazu verpflichtet war, einen weiteren Thor-Film zu machen, sehr deutlich durch: zwar gibt es auch hier spektakuläre Bilder und einige deftige Setpieces zu bewundern, doch der Humor beißt sich ganz extrem mit den Plots rund um eine krebskranke Jane Foster und einen kaltblütigen Gott-Killer. In einer Szene besteigen schreiende Ziegen ein Raumschiff, in der nächsten: Chemotherapie! Hier treibt Schurke Gorr mit einer Gruppe entführter Kinder Psycho-Spiele, dort redet ein abgerissenes Steingesicht Blödsinn. Abgesehen von Natalie Portman, welche nie ganz zu wissen scheint, wo sie eigentlich ist, liefern immerhin die anderen Darsteller*innen solide Performances ab, wobei die Guardians of the Galaxy zwar vollkommen verschenkt sind, aber einerseits Christian Bale als Gorr the God Butcher herrlich finster und creepy agiert und andererseits Russel Crowe als Zeus wundervoll albern chargiert – und damit beide Extreme des Films repräsentieren.
Weniger interessant fand ich da die Wahl des Komponisten: nachdem Mark Mothersbaugh für ”Thor: Ragnarok” einen hübschen Orchester-Synthie-Mix kreiert hatte, wandte sich Waititi für ”Jojo Rabbit” an Michael Giacchino, welchen er auch für ”Love and Thunder” mit an Bord holte. Giacchino ist natürlich beiweitem kein Anfänger, wenn es um Comic-Verfilmungen geht, erst recht nicht im MCU, komponierte er doch bereits die ”Spider-Man-Home”-Trilogie und den ersten ”Doctor Strange”. Erst dieses Jahr jedoch bewies er mit ”The Batman”, dass ich es in letzter Zeit lieber mag, wenn er außerhalb seiner Komfortzone unterwegs ist und etwas düsterere Töne anschlägt. Tatsächlich erwartete ich – abgesehen von Giacchinos mir inzwischen langweilig gewordenen, gewohnt kompetenten Sound – so ziemlich gar nichts. Doch tatsächlich macht der Score, welcher im Film selbst eher untergeht, auf dem Album sehr viel Spaß. Einen großen Mitverdienst leistet hierbei natürlich Co-Komponistin Nami Melumad, welche erst später zum Projekt dazustieß. Dies hat zur Folge, dass im Film selbst die Credits ”Themes by Michael Giacchino, Score by Michael Giacchino & Nami Melumad” erscheinen. Die israelische Komponistin hatte mit Giacchino bereits auf ähnliche Weise im Fall von ”An American Pickle” zusammengearbeitet und ich bin froh, dass sie auch hier wieder mit an Bord geholt wurde.
Wie so oft beim MCU üblich hat Giacchino alles an bisher etabliertem musikalischen Material für den Donnergott über Bord geworfen: weder Patrick Doyle noch Brian Tyler oder Mark Mothersbaugh bekommen irgendwelche Anspielungen eingeräumt (Mothersbaugh baute tatsächlich kleine Nods zu Doyle und Tyler in ”Ragnarok” ein). Das ist im Fall von Thor nicht besonders schlimm, fühlen sich doch alle Filme relativ unterschiedlich voneinander an und Giacchinos neues Hauptthema kann sich hören lassen: ein deftiger Orchester-Rock-Hybrid mit ordentlich Chor- und E-Gitarren-Unterstützung, welcher sehr gut zur Ästhetik des Films passt. In dieser Form hören wir das Thema erstmals nach etwa drei Minuten im Eröffnungstrack, ”Mama’s Got a Brand New Hammer”, nach etwas emotionalerem und sanftem Beginn mit Cello, Chor und Solo-Horn. Dies sind aber nur einige Versionen des Themas: auch in ”Indigarr with the Diva”, ”See Jane Thor”, ”Thorring to New Heights” und ”The Power of Thor Probels You” bekommen wir verschiedene Variationen zu hören.
”Just Desert” stellt das Material für Gorr vor, hier allerdings, bevor er zum Schurken wird: fremdartig und anfangs noch ein wenig ominös, dann jedoch mit Streichern tragisch. In ”A Gorr Phobia” vermischt es sich sehr düster mit der bedrohlichen, von E-Gitarren unterstützten Action. ”Show Intel” verarbeitet das Thema für Bassstreicher, gruseliges Glockenspiel und Chor. ”Utter Lunarcy” baut gewaltige Statements in die Orchester- und Chor-Action ein und sowohl in ”Temple-itis” als auch ”Foster? I Barely Know Her!” erklingt es sehr pompös und tönend.
Überhaupt, die Action: wann immer es zur Sache geht, macht die Musik ganz besonders viel Spaß. ”Gorr Animals”, ”A Gorr Phobia”, ”Saving Face” und ”Utter Lunarcy” bringen ordentlich Power und Drive in den Score, mit rasanten Streicher-Ostinati, flirrenden Blechbläsern und vollkommen übertriebenem Chor, auch E-Gitarre und Synthesizer dürfen mitmischen. Abseits davon stechen noch einige andere Titel heraus: in ”The Not Ready for New Asgard Players” klingen Orchester, Chor, Harfe, Cello und Panflöte(?) derart melodramatisch, dass man sich in einer Parodie wähnt. ”The Zeus Fanfares” ist ein besonderes Highlight, welches mit albern-pathetischen Blechbläsern und Pauken bewusst an alte Sandalenfilme erinnert. In ”Bedside Hammer”, ”All’s Fair in Love and Thor” und ”Bawl and Jane” geht es dafür viel gefühlvoller zu, unter anderem mit einem traurigen, sanften Abschied von Gorrs Thema. Nach einer hübschen Hauptthemen-Variation für Akustik-Gitarren in ”The Kids Are Alright” präsentiert uns ”The Ballad of Love and Thunder” eine sehr gelungene Suite mit verschiedenen Verarbeitungen des Hauptthemas.
Was im Film selbst sehr viel besser zur Geltung kommt, sind die eingestreuten Songs: auch wenn ich Guns N’ Roses’ ”Welcome to the Jungle” inzwischen überdrüssig bin, so ist die entsprechende Szene dennoch spaßig, sehr viel besser gefallen haben mir jedoch einerseits ”November Rain” während des sowohl epischen als auch niedlichen Finales und andererseits ”Sweet Child O’ Mine” für den visuell hübschen Hauptabspann. Auch ”Rainbow in the Dark” von Dio, ABBAs ”Our Last Summer” und ”Only Time” von Enya verfehlen ihre Wirkung nicht.
Fazit:
Ich hätte nicht gedacht, dass mich der Score für ”Thor: Love and Thunder” derart unterhalten würde, aber genau das ist eingetreten. Michael Giacchino und Nami Melumad haben die abgedrehte Natur des Films genutz und einige wirklich unterhaltsame, aber auch emotionale Tracks rausgehauen. Giacchino beweist mit jedem seiner Scores immer wieder, dass er ein fähiger Komponist ist, der zu Recht für viele Projekte angeheuert wird. Und ich hoffe, dass wir von Melumad noch sehr viel mehr in der Zukunft hören werden, denn ihr Talent ist unbestreitbar. ”Thor: Love and Thunder” jedenfalls bekommt von mir 3,5/5 Punkte – mal sehen, was der nächste MCU-Score zu bieten hat. Wakanda wartet…
Trackliste mit Längenangabe & Anspieltipps:
- Mama’s Got a Brand New Hammer – 6:10
- Just Desert – 2:25
- Indigarr with the Diva – 1:45
- The Not Ready for New Asgard Players – 1:39
- See Jane Thor – 1:09
- Distressed Out – 2:39
- Gorr Animals – 2:34
- A Gorr Phobia – 2:09
- The Ax Games – 1:21
- Thorring to New Heights – 0:57
- Show Intel – 2:53
- We’re Not Emos We’re Gods – 0:51
- The Zeus Fanfares – 1:26
- I Was in the Pool! – 2:26
- Saving Face – 3:10
- Utter Lunarcy – 1:24
- Think on Your Defeat – 1:41
- Bedside Hammer – 1:35
- Temple-itis – 1:39
- Surely, Temple – 1:01
- The Power of Thor Propels You – 2:01
- Foster? I Barely Know Her! – 3:06
- Jane Stop This Crazy Thing – 2:53
- One Wish to Rule Them All – 2:58
- All’s Fair in Love and Thor – 1:45
- Bawl and Jane – 1:23
- The Kids Are Alright – 1:22
- The Ballad of Love and Thunder – 8:13
Schöne Besprechung, ging mir tatsächlich sehr ähnlich: Nachdem ich meinen Standardfrust über den Mangel an leitmotivischer Kontinuität überwunden hatte, musste ich feststellen, dass die ganze überdrehte Action wirklich verdammt viel Spaß macht und das neue Thor-Thema zudem ein ziemlich Ohrwurm ist. Hätte man ja als Jane-Foster-Thor-Thema auch zusätzlich zu einem der bisherigen etablieren können… aber nun ja. Generell hat „Love and Thunder“ bei mir eine gewisse Apathie ausgelöst, für meine Filmkritik habe ich ziemlich lange gebraucht und zudem hatte ich keinen Ansporn, wie bei „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ etwas Ausführlicheres zu schreiben. Eigentlich wollte ich auch zum Score noch einen Artikel basteln, aber da ist bis heute nichts draus geworden. Im Grunde nun auch müßig, da ich diesem hier zustimme und kaum etwas hinzuzufügen habe.
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Vielen Dank. Freue mich, dass ich dir so ein wenig Arbeit abnehmen konnte, hihi.
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