Musik komponiert von
Bear McCreary
Score produziert von
Keith Leary & Peter Scaturro
Orchester dirigiert von
Cliff Masterson & Gavin Greenaway
Schola Cantorum-Chor dirigiert von
Hörður Áskelsson
London Voices dirigiert von
Ben Parry
Orchestriert von
Edward Trybek, Henri Wilkinson,
Jonathan Beard, Sean Barrett,
Benjamin Hoff & Jamie Thierman
Ergänzende Musik von
Sam Ewing & Omer Ben-Zvi
Solist*innen:
Malachai Bandy (Viola da Gamba, Tanbur),
Andrew Synowiec (Gitarren),
Bruce Carver (Bodhrán),
Joshua Messick (Dulcimer),
Erik Rydvall & Morgan O’Shaughnessey (Nyckelharpa),
Olav Mjelva (Hardangerfidel),
Sandra Marteleur (Violine),
Clara Guldberg (Flöte),
Johannes Geworkian & Bear McCreary (Hurdy-Gurdy),
Kristin Naigus (Ethnische Holzbläser)
& Eivør Palsdottir (Gesang)
Für Opi
„The industry is incredibly demanding. It is all about what you have done lately, and you need to constantly move forward and do other things. I’ve always described my career – as typical in the industry – of having two states: You’re either doing everything… or you’re doing nothing!” – Bear McCreary, “God of War: Raising Kratos”
Dieses Statement von 2018 sollte erklären, warum Bear McCreary bei derart vielen Projekten involviert ist. Gerade 2022 war ein unglaubliches Jahr für ihn: nicht nur komponierte er für die Serie “The Lord of the Rings: The Rings of Power” einen der besten Scores des Jahres, sondern fand daneben auch noch Zeit, sich um Serien wie “The Serpent Queen”, “The Witcher: Blood Origin” und “See” zu kümmern. Bevor er jedoch mit der Arbeit an “Rings of Power” begann, hatte er bereits seine Musik zu “God of War: Ragnarök” fertiggestellt, die Fortsetzung der neuen Reihe um den griechischen Kriegsgott Kratos, zu dessen Vorgänger er 2018 ebenfalls einen grandiosen Soundtrack abgeliefert hatte. Meine Erwartungen an den neuen Score waren extrem hoch – und diese wurden nicht nur erfüllt, sondern teilweise sogar übertroffen!
Als Fortsetzung ist das Game ein absoluter Triumph: einige Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers befinden sich Kratos und sein Sohn Atreus nun im direkten Fokus der Götter. Allvater Odin ist zwar an Frieden interessiert, aber da Kratos nicht nur Thors Söhne, sondern auch den Fährtenleser Baldur getötet hat, ist er trotzdem auf der Shitlist einiger Personen. Noch dazu versucht Atreus, seinen eigenen Weg zu gehen und dabei den nordischen Kriegsgott Týr zu finden, welcher eine tragende Rolle in der bevorstehenden Ragnarök zu spielen hat. Und so machen sich die beiden, gemeinsam mit Schlaukopf Mimir, erneut auf eine Reise voller Gefahren, wobei sie sowohl neuen als auch alten Rivalen gegenübertreten müssen – aber auch zahlreiche Verbündete finden!
Natürlich bringt McCreary sein neues Kratos-Thema zurück und es klingt gleich im ersten Track so beeindruckend und mächtig wie schon 2018. Abermals singt der Chor auf Altnordisch, allerdings gehört der Track dieses Mal nicht Kratos allein, auch das neue Thema für Atreus (hierzu später mehr) und das schon bekannte für Kratos‘ verstorbene Frau, die Riesin Faye, sind hier zu hören. Natürlich erfährt die Melodie zahlreiche Variationen in Spiel und Album: auf einsamem Horn in „Holding On“, mit Solo-Gesang in „Alfheim“ sowie in die Action von „The Hidden Beast“ und „Midgard“ eingebaut (im ersten Fall mit vollem Orchester, im zweiten als Chor-Version gemeinsam mit fast schon verspielter Fidel und fauchender Stimme).
Das zweite wichtige Thema, „A Son’s Path“, ist für Atreus alias Loki, welcher im ersten Spiel keine eigene Melodie hatte. Was sich McCreary hier ausgedacht hat, ist so simpel wie clever: die ersten Noten sind die ersten drei Noten des Kratos-Themas, aber in umgekehrter Reihenfolge. Selbst wenn man dies nicht weiß, so stellt man sofort unterbewusst eine Verbindung zwischen beiden Themen her. Dabei vermittelt Atreus‘ Thema sofort dessen jugendlichen Übermut und seinen Entdeckerdrang. Auf Hammered Dulcimer und Hardanger-Fidel beginnt es zwar flott, aber klein und wächst im Verlauf des Tracks immer weiter, während auch Percussion, Blechbläser und Chor dazukommen. Dabei gibt es auch ein emotionaleres Zwischenspiel, welches im Game selbst schon früh für einen sehr rührenden Moment sorgt. Zum ersten Mal hören wir diese Melodie erst nach ein paar Spielstunden, auf dem Album in „Jotunheim“, sowie später in „Whispered Souls“ auf der Hardanger-Fidel.
Für eine meiner Lieblings-Figuren des Sequels, die junge Riesin Angrboda, gab es auch ein entsprechendes Thema: „Giantess of Ironwood“ erinnert mit sanftem Dulcimer und Streichern an James Newton Howard, klingt sowohl verspielt als auch geheimnisvoll, ganz besonders dank des märchenhaften Chores. In „Jotunheim“ und „Whispered Souls“ hören wir das Material erneut, beide Male wunderschön. Auch Freya, die rachsüchtige Ex-Frau Odins, hat diesmal eine eigene Melodie, welche in „Vanaheim“ und „To Forgive or to Kill“ ausführlich repräsentiert wird. Diese Stücke erinnern am ehesten an McCrearys „Masters of the Universe: Revelation“.
Ein weiteres Highlight ist das Thema für die Zwergenbrüder Brok und Sindri: „Huldra Brothers“ charakterisiert diese durch eine wundervoll raue Hurdy-Gurdy-Melodie (von McCreary selbst gespielt), umringt von Percussion, Chor und Streichern. Später im Track gibt es auch eine dramatischere Action-Version, bevor die Melodie den Track auf traurigem Cello ausklingen lässt. Auch in „Svartalfheim“ wird dem Thema Platz eingeräumt, wobei es sich mit einem neuen Thema für das Reich der Zwerge mit der Unterstützung von ordentlich Chor und Solo-Gesang zusammentut. Der tückische Titel „The Mask“ wird mit einer überraschend tragischen Cello-Version des Huldra Brothers-Themas beendet und „Raeb’s Lament“ schließlich ist gänzlich dieser Stimmung gewidmet. In diesem Fall wird die Hurdy-Gurdy sogar von McCreary im Game selbst gespielt, welcher eine kleine Rolle als Zwergen-Barde Raeb und sogar eine Nebenquest in petto hat. Das Stück selbst klingt jedenfalls, gerade in Kombination mit Orchester und Chor, unbeschreiblich schön und traurig.
Die Kräfte von Asgard, allen voran Odin und Thor, werden durch dasselbe Thema vertreten, eine Melodie, die auf dem Album erstmals in „The Hand of Odin“ zutage tritt und zumeist von düsterem Chor und nervösen Streicher-Ostinati dominiert wird, wobei die Blechbläser durchaus einen gewissen Wagner-Klang haben. Der Chor-Gesang scheint dabei die Götterdämmerung bereits vorauszusagen, ja fast schon herbeizuwünschen, eine derartig düstere Tragik liegt in der Melodie, lässt aber auch an vergangene, größere Zeiten denken. „Asgard“ lässt verschiedene Variationen dieses Themas erklingen, darunter auch die tolle Wagner-artige Version, welche wir bei Thors erstem Auftritt hören. „The Hammer of Thor“ bietet eine Action-Version des Materials auf, wobei auch Kratos‘ Thema clever mit eingebaut wird.
Der Figur der verstorbenen Faye, welche hin und wieder in Flashbacks und Traumsequenzen auftritt, wird auch musikalisch überraschend viel Platz eingeräumt: „Holding On“, „Pull of the Light“ und „Remembering Faye“ lassen es prominent erklingen, zumeist gesungen von Eivør Palsdottir, welche auch am ersten Score beteiligt war. Das „Lullaby of the Giants“ ist nicht ganz so häufig vertreten, wie ich es mir gewünscht hätte, gehörte das Thema doch zu meinen Favoriten des 2018er-Scores, aber zu hören ist es dennoch, unter anderem in „Holding On“, „Whispered Souls“ und im Game selbst beim ersten Wiedersehen mit der Midgard-Schlange.
Abseits der offensichtlichen Themen-Statements gibt es noch andere Höhepunkte: „Alfheim“ erinnert stilistisch mit seiner temporeichen Mystik und den sausenden Streichern an John Williams‘ „Harry Potter“-Scores, in „Grýla“ vermischen sich Tücke und Tragik zu einem leicht ägyptisch klingenden Action-Track, „Vanaheim“ klingt mit Flöten und Percussion recht exotisch und „The Mermaid“ beschwört mit hohen Streichern und Gesang eine mysteriöse Atmosphäre herauf, welche nach und nach in bombastische und befriedigende Kratos-Variationen münden. „Letting Go“ schließlich ist ein echter Tränendrücker, aber von der guten Art: angefangen mit Fayes Thema geht es dann in Atreus‘ Thema auf Hardanger-Fidel über, beinahe zögerlich. Nach überraschend sanften Versionen von Kratos‘ Thema mit Streichern, Hörnern und Chor kehren wir wieder zu Angrbodas Material zurück, ebenfalls ein klein wenig zögerlich, mit Streichern und Flöte. Dann kommt ein kräftigeres, nahezu triumphales Statement von Atreus‘ Thema, bevor wir wieder zu Kratos kommen, mit mehreren sanften, traurigen Versionen, welche aber auch Erlösung in sich tragen und immer mächtiger werden. Die letzte Minute ist absolut wundervoll, mit erst Frauen- und dann gemischtem Chor und schließlich Solo-Horn.
Dem geneigten Fan wird dabei auffallen, dass sich „God of War: Ragnarök“ teilweise anhört wie eine Blueprint-Version von „The Rings of Power“: das Asgard-Material klingt dem Thema für Sauron recht ähnlich, „Muspelheim and Niflheim“ bietet ein Thema auf, welches an dasjenige des „Strangers“ erinnert und die Parallelen zwischen der „Huldra Brothers“-Melodie und dem Thema für den Zwergenprinzen „Durin IV“ sind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings muss man hier nachsichtig sein: nicht nur sind beide Werke Fantasy-Scores mit teilweise denselben oder zumindest ähnlichen fiktiven Völkern, noch dazu begann McCreary mit der Arbeit an der Amazon-Tolkien-Serie einige Zeit nach seinem Score für „Ragnarök“. Ich finde es einfach nur interessant und faszinierend, wie ähnlich, aber doch unterschiedlich beide Werke klingen und wie sehr der Komponist inzwischen einen klar erkennbaren melodischen Stil entwickelt hat.
Game und Album enden mit einem Song: „Blood Upon The Snow“ basiert teilweise auf dem Kratos-Thema und schmückt es mit viel Emotion aus. Das Lied stellt im Prinzip einen inneren Monolog von Kratos dar, sehr viel gefühlvoller, als er sich tatsächlich jemals ausdrücken könnte. Der Text handelt von Tragik, Einsamkeit und Reue und wird vom irischen Musiker Hozier überraschend bewegend gesunden, voller Kraft, welche direkt zu Herzen geht. Auch einem Hurdy-Gurdy-Solo wird Platz eingeräumt und wenn der Kratos-Chor gegen Ende einsetzt, wird man direkt mitgerissen.
Fazit:
Bear McCreary hatte ein grandioses Jahr 2022, wie oben schon beschrieben. „The Lord of the Rings: The Rings of Power“ war der ultimative Triumph des Jahres und seiner bisherigen Karriere, aber wäre der Score zu dieser Fantasy-Serie nicht gewesen, so hätte es seine Musik für „God of War: Ragnarök“ garantiert auf Platz 1 meiner Favoriten-Liste geschafft. Die Art und Weise, wie er bereits bekannte Themen frisch und originell verarbeitet, neue Themen etabliert und diese weiterentwickelt und dabei Instrumente und Chöre arrangiert, berührt mich auf so vielerlei Weise. Ein grandioses Werk, welches 4,5/5 Punkte mehr als verdient hat. Möge 2023 mindestens ebenso erfolgreich für diesen vielbeschäftigten Komponisten sein – allerdings hoffe ich, dass er auch ab und zu mal Zeit zum Schlafen findet.
Trackliste mit Längenangabe und Anspieltipps:
- God of War Ragnarök (feat. Eivør) – 4:35
- A Son’s Path – 3:31
- The Hand of Odin – 4:25
- Giantess of Ironwood – 4:23
- Huldra Brothers – 4:47
- Holding On (feat. Eivør) – 3:33
- Svartalfheim (feat. Eivør) – 5:14
- Pull of the Light (feat. Eivør) – 1:45
- Alfheim – 6:07
- Jotunheim – 4:37
- Grýla – 3:02
- Whispered Souls – 4:12
- Vanaheim – 7:34
- The Hidden Beast – 4:12
- To Forgive or to Kill – 4:27
- Asgard – 3:40
- Muspelheim and Niflheim – 3:45
- Midgard – 3:50
- The Mermaid – 2:56
- Remembering Faye (feat. Eivør) – 2:41
- Return to Helheim – 2:44
- The Hammer of Thor – 3:22
- The Mask – 2:25
- Ragnarök – 5:14
- The All-Father – 3:53
- Raeb’s Lament – 4:25
- Letting Go – 9:26
- Blood Upon the Snow (feat. Hozier) – 4:32
Ein Gedanke zu “God of War: Ragnarök – Bear McCreary”