Damsel – David Fleming

DamselMusik komponiert von
David Fleming
Score produziert von

Hans Zimmer
Dirigiert von

Gavin Greenaway
Orchestriert von

Òscar Senén, Rob Westwood,
Vicente Ortiz Gimeno & Nacho Cantalejo
Ergänzende Musik von

David Naroth & Jake Boring
Chor:

Phantom Choir
Solist*innen:

John Kenny (Carnyx),
Yvette Young (E-Gitarre),
Matthew Giordano (Gitarren),
Peter Gregson (Arpeggione & E-Cello),
Tim Gill (Cello),
Richard Watkins (Horn),
Ruth Berresford (Englischhorn),
Andy Crowley (Trompete),
Jake Boring (Flöten & Okarina),
Satnam Ramgotra (Percussion),
Ari Mason (Viola Da Gamba)
& Anze Rozman (Zither)

Man nehme klassische Märchen-Elemente und verleihe diesen einen grimmigen Twist: Fertig ist eine typische „Witcher“-Geschichte… oder eben „Damsel“. Der Netflix-Film schickt Millie Bobby Brown als frisch gebackene Prinzessin in die Höhle eines Drachen – und mehr soll hier erstmal nicht verraten werden, denn der Fantasy-Streifen von Juan Carlos Fresnadillo guckt sich um einiges interessanter, wenn man im Vorfeld so wenig wie möglich weiß. Ich kann jedoch sagen, dass mich „Damsel“ sehr gut unterhalten hat, denn der Film wartet mit einem sehr einnehmenden Cast, einer guten Prämisse und durchgängig hoher Atmosphäre auf, gemischt mit einigen überraschenden Gewalt-Spitzen und einer angenehmen Portion Horror.

Für die Musik zeichnet David Fleming verantwortlich, welcher in den letzten Jahren vor allem an der Seite von Hans Zimmer als Co-Komponist mehrere Projekte bestritt, darunter „Hillbilly Elegy“, „The Unforgivable“ und, besonders gelungen, „The Night Logan Woke Up“. Zudem steuerte er ergänzende Musik für beide „Dune“-Filme und „X-Men: Dark Phoenix“ bei und arbeitete mit Gustavo Santaolalla an der ersten Staffel von „The Last of Us“. „Damsel“ ist die erste Solo-Arbeit, welche ich von Fleming gehört habe, und obgleich Zimmer hier als Score-Produzent aufgeführt wird, klingt die Musik viel weniger nach dem typischen RCP-Output, sondern eher, als hätte sich James Newton Howard im „Fantastic Beasts“- und „Maleficent“-Modus mit Hans Zimmers „Angels & Demons“ zusammengetan – und das meine ich absolut positiv!

Damsel 1

Für „Damsel“ setzt David Fleming auf Orchester, Chor und eine Vielzahl von interessanten Solo-Instrumenten, darunter Okarina, Viola Da Gamba, Zither und sogar eine Carnyx! Ich hatte den Einsatz der keltischen Kriegstrompete bereits im Fall von „The Northman“ sehr gelobt und auch hier hinterlässt sie ordentlich Eindruck. Hinzu kommen mehrere Themen, die sehr schnell im Gedächtnis bleiben, allen voran das Hauptthema für die Hauptfigur Elodie selbst. Dieses wird gleich im ersten Track, „Elodie’s Maze“, ausführlich vorgestellt, kommt in dieser Suite-Form jedoch erst im Abspann zum Einsatz. Es beginnt mit Solo-Gesang und geht dann mit Glockenspiel, wortlosem Chor und teilweise gefahrvoll absteigenden Streichern weiter. Gemeinsam mit dem Solo-Horn und den erst leichten, dann kräftigeren Percussion, gemischt mit dem Chor, erinnert die Musik hier durchaus an James Newton Howards „Maleficent“. Das zunächst durchaus märchenhafte Thema gewinnt im weiteren Verlauf immer mehr an Epik, lässt dabei jedoch auch eine gewisse Düsternis nicht vermissen. Das Elektro-Cello fügt außerdem einen modernen Touch hinzu, der hier sehr gut passt.

Nach dieser großartigen Alben-Eröffnung lässt sich der Score im Prinzip in drei Parts aufteilen: Das erste Drittel gilt dem Königreich Aurea und dem schrecklichen Geheimnis, welches dieses birgt. Musikalisch stößt Fleming hier in Fantasy-Kult-Gefilde vor und lässt Chöre unheimlich wabern und flüstern, gibt aber auch den idealistischen Träumen der Hauptfigur einiges an Raum. Der zweite Teil wird von der konstanten Bedrohung des Drachen dominiert, lässt jedoch auch Platz für hoffnungsvolle Momente. Und im dritten Part überwiegt die nahezu befreiende Action, wo endlich alles zusammengefügt und aufgelöst wird.

Damsel 4

Kurz unterbrochen von „Once Upon a Time”, welcher eigentlich der erste Track des Films ist und bereits die tönende Action, den Aurea-Chor und das Drachen-Thema vorstellt, führt uns „Kingdom of Aurea“ in den Schauplatz der Geschichte ein, wobei die Orchestrierung einerseits sehr märchenhaft klingt, der auf- und absteigende und tückische Flüsterchor jedoch auch bereits das bevorstehende Unheil verkündet. „A Proposal“ ist, dank des Einsatzes der Viola Da Gamba, der Zither und dem Flüster-Chor ein besonderes Highlight, lässt auch Elodies Thema optimistisch erklingen und bietet am Schluss eine herrlich flotte Einlage für Streicher. Diese Stimmung wird in „Horizon“ mit Gitarren, Holzbläsern und Streichern fortgesetzt, auch ein schönes Solo-Horn und sanfter Chor kommen dazu. In „See The World“ kommt wieder die unheimliche Aurea-Kult-Musik zum Einsatz und „The Dress“ lässt die Bedrohung schon viel greifbarer werden, bevor sich in „Ever After“ Horn und Englischhorn die Hand reichen und in weitere märchenhafte Klänge für Streicher und Chor überleiten, obwohl sich eine gewisse Traurigkeit nicht aus der Musik bannen lässt.

„Roses and Ritual“ schließlich beginnt mit dem diesmal sehr unsicher variierten Elodie-Thema, welches tapfer versucht, gegen das düstere Geflüster und die tiefen Streicher anzukommen, doch das tückische Kult-Flüstern gewinnt die Oberhand und klingt hier horror-artiger denn je, gepaart mit Männerchor, teils elektrischem Dröhnen und einigen hölzern-hallend klingenden Percussion-Schlägen. Die Musik könnte hier wirklich kaum stimmungsvoller sein, denn zu dem schon bekannten Chor mischen sich einige deutlichere Solo-Stimmen, welche fremdartige Worte in einer Art gehauchtem Fauchen von sich geben. Nach einem kurzen, sanften Elodie-Statement mit Chor und Glockenspiel sowie Klavier bricht dann schließlich der blanke Terror hervor, mit schrillen Streichern, heftigen Trommelschlägen und kreischendem Chor. „Run!“ lässt die Gefahr noch greifbarer werden, wobei das Drachen-Thema, welches größtenteils aus drei absteigenden Noten besteht, in den unterschwelligen Aufbau integriert wird. Nach einigen Momenten der Suspense bricht dann das Getöse über Elodie und uns herein, mit elektronisch unterstütztem, brachialen Orchester, ordentlich Percussion und schreiendem Chor, wobei das Drachen-Thema sehr kräftig ertönt. Die rollenden Streicher mit rufenden Blechbläsern und den Amboss-Schlägen danach sind besonders gelungen!

Damsel 2

„Glowworm Cave“ bietet eine kurze Verschnaufpause, inklusive einer Elodie-Andeutung, geht dann jedoch in erneute Bedrohung über und wird zu einem weiteren schrill-dröhnenden Ausbruch mit Drachen-Thema und Chor. In „Phantom Princesses“ steigert sich flehend-unheimlicher Chor klagend immer weiter, bis „Pointing the Way“ mit taffen Streicher-Ostinati und Chor wieder Hoffnung aufkommen lässt, gemeinsam mit einem kräftigen Elodie-Statement. Das Kult-Geflüster kehrt in „Flower Cave“ zurück, kann sich jedoch nicht ganz gegen die aufsteigende Entschlossenheit behaupten. „Dead End“ holt uns letztendlich aber doch auf den Boden der Tatsachen zurück, zunächst traurig, dann mit einem sehr aggressiven Drachen-Stinger. Die Carnyx kommt zum ersten Mal so richtig am Ende von „Three Eggs“ zum Einsatz, mit schrillen und dröhnenden Blechbläsern vermischt, was auch den dritten Teil von Score und Film einläutet.

Ab „Duty and Deceit“ dominiert eine Mischung aus Action und Tragik den Soundtrack. Ob nun die beeindruckenden rufenden Stimmen in „Duty and Deceit“, der erhabene Männerchor und die kratzig-klackernden Drachen-Klänge in „Hunting Party“ oder die ausschweifend-kräftigen Chöre mit vollem Orchester, inklusive Carnyx, hier geht es wirklich deftig zur Sache. Nach einer kleinen, aber ebenfalls tragischen Verschnaufpause mit mehreren Elodie-Variationen in „No Shelter“ wird die Musik mit „War Paint“ wieder lauter und entschlossener, das Schlagwerk mit Blechbläsern und Carnyx knallt hier ordentlich rein. Nach einem dissonanten Beginn in „Facing The Dragon“ geht es abermals tragisch weiter, bis sich in „Accept Your Fate“ Elodie-Solo-Gesang und das Kultgeflüster mit sehr traurigen Geigen- und Cello-Klängen vermischen, sogar eine überraschend sanfte E-Gitarre ist zu hören. „Royal Blood“ strebt immer weiter der Erlösung entgegen und „End of Your Story“ liefert schließlich genau das, mit einem majestätisch-triumphierenden Track für das Drachen- und Elodie-Material mit Chor, Blechbläsern und Elektro-Cello, am Schluss besonders episch tönend. „Homeward“ beschließt dann den Score-Anteil des Albums mit einem weiteren selbstbewussten Elodie-Statement, bevor wir mit „Ring of Fire“ ein an sich kein schlechtes Cover des bekannten Johnny Cash-Hits zu hören bekommen, welches jedoch nicht unbedingt zum Ton des Films passt.

Damsel 5

Fazit:

David Fleming hat sein Talent bereits in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, aber „Damsel“ ist ohne Zweifel der bisher beste Score seiner Karriere: Wie er hier mehrere starke Themen zu einem stets kohärenten Ganzen verbindet und dabei nie den melodischen Anteil aus den Augen verliert, ist wirklich beeindruckend. Gemeinsam mit seinem Team hat er hier einen großorchestralen Fantasy-Score geschmiedet, dessen hier und dort moderne Kanten stets an den richtigen Stellen für einschneidende Momente sorgen. Ganz besonders die Chor-Elemente wissen hier zu begeistern, aber auch die Wahl der Solo-Instrumente verfehlt ihre Wirkung nie. Wer sich also von den teilweise dissonanten und extrem düsteren Klängen in einigen Tracks nicht abschrecken lässt, darf sich hier auf einen 4/5 Punkte-Score freuen, welcher am Ende des Jahres sicher die eine oder andere Besten-Liste zieren wird.

Trackliste mit Längenangabe und Anspieltipps:

  1. Elodie’s Maze – 4:42
  2. Kingdom of Aurea – 2:56
  3. Once Upon a Time – 2:55
  4. A Proposal – 4:15
  5. Horizon – 3:27
  6. See The World – 1:42
  7. The Dress – 2:02
  8. Ever After – 2:57
  9. Roses and Ritual – 5:08
  10. Run! – 3:11
  11. Glowworm Cave – 4:34
  12. Phantom Princesses – 1:29
  13. Pointing the Way – 2:08
  14. Flower Cave – 3:44
  15. Dead End – 1:34
  16. Three Eggs – 2:47
  17. Duty and Deceit – 2:15
  18. Hunting Party – 2:10
  19. Flight and Fire – 3:24
  20. No Shelter – 4:30
  21. War Paint – 1:44
  22. Facing the Dragon – 3:17
  23. Accept Your Fate – 4:44
  24. Royal Blood – 2:40
  25. End Of Your Story – 3:41
  26. Homeward – 1:27
  27. Ring of Fire (Lykke Li) – 3:14

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